Mein Hund hat einen wichtigen Forschungsbeitrag geleistet. Einige männliche Vertreter seiner sowie 60 weiterer Rassen leiden nämlich offensichtlich unter einem Gendefekt, der dazu führt, dass sich Harnsteine bilden. Ich muss an dieser Stelle wohl niemandem erklären, wie schmerzhaft es ist und welche Folgen es haben kann, wenn solche Kristalle beim Toilettengang den Harnleiter verstopfen. Nun ist ein findiger Veterinärmediziner aus Heinsberg zusammen mit der Uni Bern dem hereditären Übeltäter auf der Spur. Und da kommt mein Rüde ins Spiel. Sein stilles Einverständnis vorausgesetzt, habe ich ihn vor wenige Wochen als Teilnehmer der Studie zum Nachweis des fraglichen Gens angemeldet. Da er gefühlte fünfzig Mal pro Tag Gräser und Blümchen mit seinen flüssigen Ausscheidungen benetzt, hielt ich es für verantwortbar, ihm einige Tropfen davon zu entwenden, ohne dass sein männliches Ego einen Knacks erleiden würde. Nur wie? Eine Mitarbeiterin der Tierarztpraxis meines Vertrauens hatte die Lösung: „Lass ihn in eine Suppenkelle pinkeln und befördere dann die gewünschte Menge hier rein“, sagte sie und drückte mir freundlich lächelnd ein Probenröhrchen in die Hand. - „In eine Suppenkelle?“, entfuhr es mir. Augenblicklich poppte vor meinem inneren Auge auf, wie ich mit dem Schöpflöffel hinter meinem Rüden herschlich, um diesen im entscheidenden Moment unter seinen goldenen Strahl zu halten. Doch was blieb mir anderes übrig. Zunächst galt es aber noch eine andere Hürde zu meistern. Um wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse zu erhalten, musste mein vierbeiniger Gefährte einige Tage lang ein hoch proteinreiches Futter zu sich nehmen, das die Harnsteinbildung laut Studienhypothese bei einem etwaig vorhandenen Genfehler fördern würde. Also zog ich erneut los und kaufte entsprechendes Futter. Mein Rüde inhalierte die neue Nahrung mit Begeisterung, auch wenn die Umstellung zeitweilig für sprichwörtlich dicke Luft bei uns zu Hause sorgte. Aber mittels ausgiebigem Stoßlüften kriegten wir auch dieses Problem in den Griff. In der Zwischenzeit zermarterte ich mir den Kopf darüber, wann wohl der beste Zeitpunkt für die geplante Auffangaktion sein könnte. Die übliche Morgengassirunde wäre denkbar ungeeignet, dachte ich mir, da wir zu dieser frühen Stunde selten allein unterwegs waren und ich mich nicht zwingend zum Gespött der Leute machen wollte, während ich mit der Suppenkelle neben meinem Rüden kniete. Mittags sähe die Situation ähnlich aus. Somit bliebe nur der Abend, am besten kurz vor Einbruch der Dunkelheit, entschied ich entschlossen. Nachdem mein Hund ausreichende Mengen an Eiweißreicher Nahrung gefressen hatte, gab ich mir einen Ruck, bewaffnete mich mit dem Schöpfgerät, dem Probenröhrchen und einer leere Spritze und folgte ihm ins Freie. Hektisch suchte ich die Straße nach Passanten ab, als er seine Nase schnüffelnd im Grün versenkte, um eine geeigneten Stelle für seine erste Markierung zu finden. Zum Glück waren wir allein. „Nun mach schon“, zischte ich leise und wurde zum Glück auch umgehend erhört. Wie auf Kommando hob er sein Beinchen und strullerte fröhlich drauf los. Noch bevor die ersten Spritzer auf der Erde landen konnte, war ich mit der Suppenkelle zur Stelle. Unter meinen freudigen Augen füllte sich das Gefäß in Sekundenschnelle mit dem wissenschaftlich wertvollen Saft. Mein Rüde, der von der Aktion nicht das Geringste mitbekam, setzte seinen Gang wenig später hochzufrieden fort, während ich flugs hinter einem geparkten Auto hockend die gewünschte Probenmenge mit der Spritze aus der Kelle zog und ins Urinröhrchen umfüllte. Erleichtert richtete ich mich auf, versteckte das Küchenutensil in einem Gebüsch, um es auf dem Rückweg wieder einzusammeln, und folgte meinem Hund, als wäre nichts geschehen. Voller Stolz las ich wenige Tage später das Ergebnis unseres Bemühens: Mein Rüde ist kein Steinbildner und konnte so einen wichtigen Beitrag für die Nachwelt leisten. Die erforderliche Entnahme der Blutprobe für die Biodatenbank, die die Uni Bern anlässlich der Studie anlegt, war dann nur noch ein Klacks.