Haben Sie das auch - einen Spleen. Irgendeine besondere Macke, über die Sie manchmal selbst die Augen verdrehen. Mein Spleen besteht darin, dass  ich nie ohne meinen Föhn verreise. Selbst in bestens ausgestattete Hotels schleppe ich meinen wenig handlichen Profi-Haartrockner mit, egal wie wenig Platz im Koffer oder der Reisetasche ist. Lieber fliegen ein Pullover, eine Hose oder die Reisepantoffel wieder heraus (Stoppersocken tun es notfalls auch), als dass ich meinen Föhn daheim lassen würde.

Jetzt könnte man natürlich auf die Idee kommen, meine Haare seien so speziell , dass sie nur mit dem heimischen Stylinggerät zu bändigen und in Form zu bringen sind. Dem ist mitnichten so. Mein Schopf ist kurz und mit etwas heißer Luft ist die Sache nach spätestens fünf bis sieben Minuten erledigt.

Aber bekanntermaßen geschieht ja nichts ohne Grund. Und für meinen "ich-verreise-nie-ohne-meinen-Föhn-Tick" gibt es gleich zwei gute Gründe. Zum einen verhindert der mit negativ geladenen Ionen angereicherte warme Luftstrom, dass mir sowohl im sprichwörtlichen als auch im wahrsten Sinne des Wortes die Haare zu Berge stehen. Anders ausgedrückt: Nichts, aber auch rein gar nichts kann mich mehr, egal wo ich bin, nach der morgendlichen Heißluftdusche aus der Ruhe bringen, was einem simplen Hotelföhn unter Umständen nicht gelingen würde. Zum anderen halte ich, sobald meine Finger den vertrauten schwarzen Griff umklammern, ein Stück Heimat in den Händen. Man könnte auch sagen: Ich bin immer und überall geerdet.

Vor Kurzem habe ich übrigens eine neue Macke entwickelt. Inzwischen wandert auch mein heimisches Kopfkissen ins Gepäck.  Was das wiederum bedeutet, erschließt sich mir selbst noch nicht so recht. Vielleicht liegt es einfach am Alter.

von Petra Spielberg 3. August 2023
Es ist doch immer wieder erstaunlich, über welch tiefschürfende philosophische Kenntnisse manche Mitmenschen verfügen, von denen man es gar nicht erwarten würde. In dieser Hinsicht verblüfft wurde ich neulich, als ich mit meiner Cousine, ihrem Mann und meiner Tante beim Italiener essen war. Nach ausgiebigem Studium der Speisekarte teilten wir der Serviererin in unmissverständlichem Deutschitalienisch und unter zusätzlicher Nennung der in der Speisekarte aufgeführten Nummern der Gerichte unsere Bestellungen mit, ohne zu ahnen, dass wir es mit einer im sokratischen Dialog bewanderten Fachkraft zu tun hatten. Das Essen ließ nicht lange auf sich warten und so machten wir uns schon bald freudig über unsere Teller her. Hochzufrieden verspeisten meine Tante und ich unsere Nudeln in Gorgonzolasauce. Und auch der Salat an Hähnchenbrustfilets, den meine Cousine bestellt hatte, ließ nichts zu wünschen übrig. Nur der Mann meiner Cousine stimmte nicht in unsere Lobgesänge ein, sondern stocherte auffallend stumm in seinem Teller herum. »Was ist?«, fragten wir zwischen zwei Bissen. - »Ich vermisse bei meiner Pasta die Kalbsfiletstückchen«, erwiderte der eingefleischte Carnivore mit säuerlicher Miene. Im vollsten Verständnis für seinen Unmut unterbrachen wir unser Essen und winkten die Serviererin herbei. Beflissen eilte diese an unseren Tisch und blickte fragend vom einen zum anderen. Höflich klärte der Mann meiner Cousine sie darüber auf, dass er Pasta casa mia mit Kalbsfiletstückchen bestellt habe, die Nudeln auch sehr lecker seien, er aber kein einziges Stück Fleisch im Gericht finden könne. Auf der Stirn der Serviererin bildete sich eine steile Falte, bevor sie zu ihrer philosophischen Erwiderung ansetzte: »Warum nicht?«, fragte sie. Offenbar war sie der Ansicht, es sei Aufgabe des Mannes meiner Cousine herauszufinden, warum seine Pasta anders als in der Speisekarte aufgeführt, keine Fleischstücke enthielt oder ob er vielleicht einem Denkfehler unterliege. Von dieser sokratischen Frage völlig überrumpelt, fiel diesem auf Anhieb keine passable Antwort ein. Auch wir drei Frauen waren sprachlos ob dieser hochtrabend philosophischen Gesprächsführung. Wie nahezu perfekt die Serviererin die Kunst des sokratischen Dialogs beherrschte, ihr Gegenüber durch eine geschickt formulierte Frage dazu zu bringen, tiefere Einsichten in seine offensichtlich irrigen Annahmen zu gewinnen, stellte sie kurze Zeit später beim Kassieren erneut unter Beweis. »Da steht ja Pasta siciliana und nicht Pasta casa mia«, rief der Mann meiner Cousine aus, als sie ihm die Rechnung vorlegte. - »Ist das ein Problem?« so die philosophisch versierten Restaurantfachkraft. »Der Preis ist doch derselbe.«
von Petra Spielberg 14. Juni 2023
„Ich bringe die Sau um, die mir das angetan hat und mache anschließend Hackfleisch aus ihr“, schimpfte ein Freund von mir, der letzthin Opfers eines Unfalls mit Fahrerflucht geworden war. „Oder Würstchen“, schlug ich vor. „Meinetwegen auch Würstchen. Hauptsache das Schwein ist weg vom Fenster“, sagte er. Bei dem Versuch zu lachen, stöhnte er gequält auf. Der Zusammenprall mit dem Delinquenten, der sich nach seiner Tat feige aus dem Staub gemacht hatte, hatte ihm nämlich sechs gebrochene Rippen, einen gebrochenen Mittelhandknochen und eine Kapselsprengung in der linken Schulter beschert. „Werde du erst einmal gesund“, riet ich ihm. „Und wenn du willst, mache ich das Schwein in der Zwischenzeit für dich kalt.“ „Na meinetwegen“, räumte er ergeben ein, während er sich weiter japsend die Seite hielt. „Es wird nur nicht so einfach sein, den Schuldigen ausfindig zu machen“, gab ich vorsichtig zu bedenken. „Ist mir egal“, antwortete er. „Dann knall halt alle Schweine ab. Das Richtige ist bestimmt darunter.“ „Wird gemacht“, versprach ich und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Grinsend verließ ich das Krankenhaus. Natürlich hatte keiner von uns beiden ernsthaft vor, jemanden umzubringen. Aber das kleine Gedankenspiel hatte meinem Freund immerhin ein wenig Genugtuung verschafft. Denn der Unfallverursacher war eine Wildsau gewesen, die ihn am Abend zuvor beim Überqueren der Straße hinterrücks vom Motorrad gehebelt hatte, um sich dann vom Acker oder besser gesagt in den Acker davonzumachen.
von Petra Spielberg 31. März 2023
Mein Hund hat einen wichtigen Forschungsbeitrag geleistet. Einige männliche Vertreter seiner sowie 60 weiterer Rassen leiden nämlich offensichtlich unter einem Gendefekt, der dazu führt, dass sich Harnsteine bilden. Ich muss an dieser Stelle wohl niemandem erklären, wie schmerzhaft es ist und welche Folgen es haben kann, wenn solche Kristalle beim Toilettengang den Harnleiter verstopfen. Nun ist ein findiger Veterinärmediziner aus Heinsberg zusammen mit der Uni Bern dem hereditären Übeltäter auf der Spur. Und da kommt mein Rüde ins Spiel. Sein stilles Einverständnis vorausgesetzt, habe ich ihn vor wenige Wochen als Teilnehmer der Studie zum Nachweis des fraglichen Gens angemeldet. Da er gefühlte fünfzig Mal pro Tag Gräser und Blümchen mit seinen flüssigen Ausscheidungen benetzt, hielt ich es für verantwortbar, ihm einige Tropfen davon zu entwenden, ohne dass sein männliches Ego einen Knacks erleiden würde. Nur wie? Eine Mitarbeiterin der Tierarztpraxis meines Vertrauens hatte die Lösung: „Lass ihn in eine Suppenkelle pinkeln und befördere dann die gewünschte Menge hier rein“, sagte sie und drückte mir freundlich lächelnd ein Probenröhrchen in die Hand. - „In eine Suppenkelle?“, entfuhr es mir. Augenblicklich poppte vor meinem inneren Auge auf, wie ich mit dem Schöpflöffel hinter meinem Rüden herschlich, um diesen im entscheidenden Moment unter seinen goldenen Strahl zu halten. Doch was blieb mir anderes übrig. Zunächst galt es aber noch eine andere Hürde zu meistern. Um wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse zu erhalten, musste mein vierbeiniger Gefährte einige Tage lang ein hoch proteinreiches Futter zu sich nehmen, das die Harnsteinbildung laut Studienhypothese bei einem etwaig vorhandenen Genfehler fördern würde. Also zog ich erneut los und kaufte entsprechendes Futter. Mein Rüde inhalierte die neue Nahrung mit Begeisterung, auch wenn die Umstellung zeitweilig für sprichwörtlich dicke Luft bei uns zu Hause sorgte. Aber mittels ausgiebigem Stoßlüften kriegten wir auch dieses Problem in den Griff. In der Zwischenzeit zermarterte ich mir den Kopf darüber, wann wohl der beste Zeitpunkt für die geplante Auffangaktion sein könnte. Die übliche Morgengassirunde wäre denkbar ungeeignet, dachte ich mir, da wir zu dieser frühen Stunde selten allein unterwegs waren und ich mich nicht zwingend zum Gespött der Leute machen wollte, während ich mit der Suppenkelle neben meinem Rüden kniete. Mittags sähe die Situation ähnlich aus. Somit bliebe nur der Abend, am besten kurz vor Einbruch der Dunkelheit, entschied ich entschlossen. Nachdem mein Hund ausreichende Mengen an Eiweißreicher Nahrung gefressen hatte, gab ich mir einen Ruck, bewaffnete mich mit dem Schöpfgerät, dem Probenröhrchen und einer leere Spritze und folgte ihm ins Freie. Hektisch suchte ich die Straße nach Passanten ab, als er seine Nase schnüffelnd im Grün versenkte, um eine geeigneten Stelle für seine erste Markierung zu finden. Zum Glück waren wir allein. „Nun mach schon“, zischte ich leise und wurde zum Glück auch umgehend erhört. Wie auf Kommando hob er sein Beinchen und strullerte fröhlich drauf los. Noch bevor die ersten Spritzer auf der Erde landen konnte, war ich mit der Suppenkelle zur Stelle. Unter meinen freudigen Augen füllte sich das Gefäß in Sekundenschnelle mit dem wissenschaftlich wertvollen Saft. Mein Rüde, der von der Aktion nicht das Geringste mitbekam, setzte seinen Gang wenig später hochzufrieden fort, während ich flugs hinter einem geparkten Auto hockend die gewünschte Probenmenge mit der Spritze aus der Kelle zog und ins Urinröhrchen umfüllte. Erleichtert richtete ich mich auf, versteckte das Küchenutensil in einem Gebüsch, um es auf dem Rückweg wieder einzusammeln, und folgte meinem Hund, als wäre nichts geschehen. Voller Stolz las ich wenige Tage später das Ergebnis unseres Bemühens: Mein Rüde ist kein Steinbildner und konnte so einen wichtigen Beitrag für die Nachwelt leisten. Die erforderliche Entnahme der Blutprobe für die Biodatenbank, die die Uni Bern anlässlich der Studie anlegt, war dann nur noch ein Klacks.
von Petra Spielberg 16. März 2023
Neulich habe ich ein Rudel Wölfe gesehen. Also gut, um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich habe die Tiere nicht mit eigenen Augen gesehen, aber auf einem Video. Aufgereiht wie Perlen auf einer Kette flitzten die scheuen Raubtiere am helllichten Tag über eine grüne Wiese und das mitten in Hessen. Wow, habe ich gedacht, was für eine Sensation! Nun muss ich gestehen, dass ich durch die Arbeiten an meinem zweiten Krimi derzeit alles so begierig aufsauge wie ein Schwamm, was auch nur im Entferntesten mit Wölfen zu tun hat. Wieso, weshalb, warum soll an dieser Stelle natürlich noch nicht verraten werden. Aufgeregt wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum teilte ich das Video mit meinen Freunden. „Kenn ich. Das sind die Wölfe aus Obermöhrlen“, so das mehr oder weniger einhellige Echo. Aha, dachte ich, die Sensation hatte also schon die Runde gemacht. Hätte ich mir eigentlich denken können. Videos und Fotos von Wolfssichtungen sind momentan ja geradezu der Renner in den sozialen Medien. Nur eine Stimme meldete lauthals Zweifel an: „Ein solch großes Rudel, in Obermöhrlen, nie im Leben!“ Flugs wurde sachkundiger Rat eingeholt und siehe da, das Video entpuppte sich als Fake. Enttäuscht über den Betrug beförderte ich die Fälschung umgehend in meinen digitalen Papierkorb. Nur wenige Tage später poppte in meinem Mitteilungseingang ein weiteres Foto auf, das einen stattlichen Isegrim auf einer Waldwiese zeigte. Ich war skeptisch. War der einsame Wolf etwa wieder nur das Ergebnis geschickter Pixel-Manipulation? Doch nein! Nachforschungen ergaben, dass kein Zweifel an der Echtheit des Bildes bestand. Ob er nur auf der Durchreise ist oder bald erneut Schlagzeilen macht, weil eventuell auch das ein oder andere Osterlamm auf seinem Speiseplan steht, bleibt abzuwarten. Vielleicht sollte man bei der Gelegenheit aber dann auch mal darauf hinweisen, dass allein in Hessen jährlich rund 37.000 Schafe, Ziegen und Kälber aufgrund von Erkrankungen oder Unfällen verenden und als so genannte Falltiere in Tierkörperbeseitigungsanlagen landen.
von Petra Spielberg 4. März 2023
Haben Sie das auch - einen Spleen. Irgendeine besondere Macke, über die Sie manchmal selbst die Augen verdrehen. Mein Spleen besteht darin, dass ich nie ohne meinen Föhn verreise. Selbst in bestens ausgestattete Hotels schleppe ich meinen wenig handlichen Profi-Haartrockner mit, egal wie wenig Platz im Koffer oder der Reisetasche ist. Lieber fliegen ein Pullover, eine Hose oder die Reisepantoffel wieder heraus (Stoppersocken tun es notfalls auch), als dass ich meinen Föhn daheim lassen würde. Jetzt könnte man natürlich auf die Idee kommen, meine Haare seien so speziell , dass sie nur mit dem heimischen Stylinggerät zu bändigen und in Form zu bringen sind. Dem ist mitnichten so. Mein Schopf ist kurz und mit etwas heißer Luft ist die Sache nach spätestens fünf bis sieben Minuten erledigt. Aber bekanntermaßen geschieht ja nichts ohne Grund. Und für meinen "ich-verreise-nie-ohne-meinen-Föhn-Tick" gibt es gleich zwei gute Gründe. Zum einen verhindert der mit negativ geladenen Ionen angereicherte warme Luftstrom, dass mir sowohl im sprichwörtlichen als auch im wahrsten Sinne des Wortes die Haare zu Berge stehen. Anders ausgedrückt: Nichts, aber auch rein gar nichts kann mich mehr, egal wo ich bin, nach der morgendlichen Heißluftdusche aus der Ruhe bringen, was einem simplen Hotelföhn unter Umständen nicht gelingen würde. Zum anderen halte ich, sobald meine Finger den vertrauten schwarzen Griff umklammern, ein Stück Heimat in den Händen. Man könnte auch sagen: Ich bin immer und überall geerdet. Vor Kurzem habe ich übrigens eine neue Macke entwickelt. Inzwischen wandert auch mein heimisches Kopfkissen ins Gepäck. Was das wiederum bedeutet, erschließt sich mir selbst noch nicht so recht. Vielleicht liegt es einfach am Alter.
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